Wie oft ist es mir schon passiert, dass ich irgendwo saß – in einem Zug auf Sizilien, auf einem Felsen vor Monopoli, in einer Kneipe in Fleetwood oder in einem Imbiss auf Pellworm – und es setzte sich jemand zu mir und erzählte mir seine Geschichte.
So lernte ich einen Zauberer aus Syrakus kennen, der mir während der Zugfahrt seine Zaubertricks zeigte. Oder einen Mann, der kaum zur Schule gehen konnte, weil er so arm war und schon als Kind anfangen musste zu arbeiten. So traf ich Monday, einen Nigerianer, der über Libyen nach Italien geflüchtet war und dort nun sein Glück versuchte. Oder ich lernte eine Frau kennen, die ihr halbes Leben lang darauf gewartet hatte, dass ihre Jugendliebe zu ihr zurückkehrt, was tatsächlich geschah. Sie strahlte übers ganze Gesicht.
Ein anderes Mal lauschte ich der Geschichte eines Mannes, der einst voller Freude durch die ganze Welt gereist war, und nun auf der Flucht war – vor seiner Ehe. Regelmäßig stieg er in einem Hotel in seinem Nachbarort ab. Immer dann, wenn er Zeit zum Träumen brauchte, oder um sich wieder lebendig zu fühlen. Wieder ein anderes Mal traf ich eine Frau, die in ihrer Kindheit entführt worden war. Oder eine Frau, die Geister sieht – beziehungsweise die keinen Unterschied erkennen kann zwischen den Geistern aus der Vergangenheit und den Lebenden von heute.
Ich hörte diese und unzählige weitere Geschichten. Traurige und heitere, laute und leise, stolze und schüchterne, wahre und sicher auch geflunkerte. Sie kamen mir einfach zugeflogen.
Es schien, als erzählten die Menschen mir ihre Geschichten gern. Vielleicht, weil sie spürten, dass ich sie gern hörte und dass ich sie hüten würde wie einen Schatz. So wurde ich, ohne es zu ahnen oder planen, zu einer Geschichtensammlerin. Und irgendwann brachten die Geschichten mich auf eine Idee…