Warten

Vulcano. Einmal, es ist schon ein paar Jahre her, saß ich auf einer Fähre, die mich von Milazzo auf Sizilien zur Insel Vulcano brachte. Mir gegenüber saß eine Frau, mit aufällig glücklichem Lächeln. Sie musterte mich, aber sagte nichts. Noch nicht.

Sie war nicht allein unterwegs, sondern mit ihrem Mann und, wie ich später erfuhr, ihrer Stieftochter. Sie hieß Anna und kam aus Catania. Die drei machten einen Ausflug.

Es war Sommer und auf der kleinen vulkanischen Insel vor der Nordküste Siziliens war es fast unerträglich heiß. Die Strände glühten. Dennoch lief ich über die Insel und erkundete sie. Als ich wieder zum Schiff kam, das mich zurück nach Milazzo bringen sollte, hatte es Verspätung. Wir bekamen Gutscheine für ein Essen in einer nahegelegenen Trattoria. Wieder sah ich die Frau, wieder beobachtete sie mich.

Dieses Mal sprach sie mich an. Ob ich allein unterwegs sei? Ich könnte gern mit ihnen essen. Das tat ich. Und so erzählten wir uns aus unseren Leben. Ich sagte ihnen, dass ich diesen Sommer in einer Pizzeria auf Sizilien arbeiten würde, als Kellnerin, um die Sprache zu lernen. Ein paar Tage später kam Anna mit ihrem Mann und dessen Tochter bei mir in der Pizzeria vorbei und sie luden mich nach Catania ein. So besuchte ich sie kurz bevor ich Sizilien verließ.

Und da endlich rückte Anna mit der Sprache heraus. Sie habe mich auf der Fähre gesehen und seitdem den Wunsch gehabt, mir von ihrer großen Liebe zu erzählen. Es war ihr Mann, der neben ihr stand. Er war ihre Jugendliebe gewesen, aber es war nicht gut gegangen, damals. Irgendwann hatten sie sich getrennt. Und wie das Leben so spielt, hatte er eine andere Frau geheiratet und sie war allein geblieben. Aber irgendwann trafen sie sich wieder.

Dieses Mal kämpfte er um sie. Erst zeigte sie ihm die kalte Schulter, ist ja klar, sagte sie. Aber dann gab Anna nach. Sie hatte ihn über all die Jahre nie vergessen. Heute waren sie ein Paar und wie glücklich sie waren, sah man an ihrem Strahlen.

Das, sagte Anna, habe sie mir erzählen wollen, von Anfang an als sie mich auf der Fähre sah. Irgendwie war es ihr wichtig erschienen.

Ich war gerührt. Und ich dachte – warum machen wir das nicht viel öfter? Einander all die schönen Geschichten erzählen, von den Dingen, die am Ende gelingen?